Eine leibliche Mutter erinnert sich: Die ersten Tage ihrer Kinder im Kinderdorf
Es gibt ganz unterschiedliche Gründe dafür, dass Kinder ins Kinderdorf kommen. Genauso individuell wie die Gründe sind die Menschen, die das miterleben. Wir freuen uns sehr darüber, dass uns eine leibliche Mutter (wir nennen sie Carolin) erzählt hat, wie sie die ersten Tage ihrer Kinder im Kinderdorf empfunden hat.
Seit sieben Jahren leben Carolins zwei Töchter im Kinderdorf, im letzten Sommer konnte „die Große“ (11 Jahre) wieder zur Mama zurückziehen. Warum hier im Kinderdorf ihre Kinder trotzdem ein Zuhause gefunden haben, Carolin hat es uns erzählt.
Das Kinderdorf hat einen anderen Charakter als ein Kinderheim
Das Jugendamt hat entschieden, dass die beiden Mädchen in das Bethanien Kinderdorf kommen sollen. Bis dahin kennt Carolin es nur aus Erzählungen. An der Vorstellung eines Kinderdorfes gefällt ihr, dass es nicht den Charakter eines Heimes habe, sondern vielmehr den eines kleinen Dorfes und „etwas von Familie“. Um die Eingewöhnung der Kinder zu erleichtern, besteht während der ersten Wochen kein Kontakt zwischen Mutter und Töchtern. Diese Zeit ist für Carolin sehr schlimm: Es ist schwer, sich damit auseinandersetzen zu müssen, dass ihre Kinder nun nicht mehr bei ihr leben, sondern in einer fremden Umgebung. Nicht zu wissen, wie es dort sei und wie es ihnen gehe, belastet die Mutter.
Das erste Mal im Kinderdorf
Als sie das Kinderdorf dann zum ersten Mal besucht, sind die Gefühle gemischt: Einerseits ist es schön, das Kinderdorf kennenzulernen und die Umgebung gefällt ihr, auf der anderen Seite überwiegt aber auch das Gefühl, dass sie ihre Kinder hier zurücklassen muss.
Carolin darf die Kinder in den Gruppen besuchen und lernt auch die Pädagogen kennen, die jetzt mit ihnen zusammenleben. Sie fühlt sich freundlich empfangen, hat aber gleichzeitig ein seltsames Gefühl, auf einmal mit Fachkräften zu tun zu haben, denn am Anfang weiß sie nicht, wie sie sich diesen gegenüber verhalten soll. Sie hat Angst, etwas falsch zu machen und fühlt sich deswegen auch im Kontakt mit ihren Kindern etwas gehemmt.

Die Zeit hilft ihr beim Umgang mit dem Kinderdorf
Im Laufe der Zeit lässt dieses Gefühl nach und für Carolin ist der Kontakt zu den Pädagogen ein wichtiger Austausch. Auch telefonisch kann sie dort nachfragen, wenn sie etwas wissen möchte – das ist wichtig für sie. Umso mehr Zeit vergeht, umso besser kann sie akzeptieren, dass die Kinder noch einige Jahre im Kinderdorf bleiben werden. Sie sagt: „Aber dann hast du wenigstens ein gutes Gefühl und kannst sagen, okay, da kann ich meine Kinder lassen, da wird sich drum gekümmert. Da kann man dann mit einem guten Gefühl nach Hause fahren.“
Carolin fühlt sich als Teil des Kinderdorfes
Auch wenn es ein paar Situationen gibt, in denen sie sich wünscht, direkter in das Leben ihrer Töchter eingebunden zu sein, sagt sie, dass sie trotzdem das Gefühl hat, am Leben ihrer Kinder beteiligt zu sein. Alles Wichtige und alles Entscheidende erlebt sie mit. Besonders schön sind zum Beispiel die Geburtstagsfeiern im Kinderdorf, auch die Einschulung und Taufe hat sie im Kopf. „Wir haben zusammen das Kleid gekauft, wir haben daraus einen schönen Familientag gemacht und waren in der Stadt. Und ich glaube, das war nicht nur wichtig für mich als Mutter, sondern auch für das Kind!“ Als wir bitten, ein Resümee zu ziehen, sagt Carolin: „Als Gast habe ich mich die letzten Jahre ehrlich gesagt gar nicht mehr gefühlt. Ich wurde und werde mit offenen Armen empfangen und eingebunden. Das tut gut!“
Das Interview hat Claudia Steil, Pädagogin aus dem Kinderdorf in Bergisch Gladbach, geführt.