„Hast du dir das auch gut überlegt?“, wurde ich oft gefragt. „Dann musst du ja so Einiges aufgeben“, hörte ich so manches Mal, wenn ich von meiner Idee berichtete, mit 37 Jahren den alten Job aufzugeben, um eine neue Ausbildung zu beginnen und Kinderdorfmutter zu werden. Diese Gedanken hatte ich überhaupt nicht, im Gegenteil.
Zukünftige Kinderdorfmutter: Schon immer war das Interesse an Menschen groß
Nach der Schule machte ich eine handwerkliche Ausbildung und 2015 führte mich mein beruflicher Werdegang in eine Jugendherberge. Dort, tätig als Küchenleitung, arbeitete ich sehr eng mit Menschen mit Behinderung zusammen und merkte schnell, dass mich diese Arbeit sehr erfüllte, ja richtiggehend zufriedenstellte. So kam es, dass ich beim Stöbern im Internet auf einen Beitrag des WDR stieß, in dem eine Kinderdorfmutter interviewt wurde, die es mit Mitte 30 gewagt hatte, ihren alten Job aufzugeben, eine pädagogische Ausbildung zu beginnen und dann Kinderdorfmutter in Bethanien zu werden. Bis dato hatte ich von dieser Möglichkeit, auch als Quereinsteiger Kinderdorfmutter werden zu können, noch nie etwas gehört. Nachhaltig von dem Kurzfilm des WDR beeindruckt, schaute ich ihn immer wieder mal an und so wurde die Idee immer konkreter. Zuerst erzählte ich meinen Eltern davon und stieß direkt auf Zustimmung. Mit etwas Angst vor der eigenen Courage gab ich meine Bewerbung ab und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Prozess Kinderdorfmutter: Von der Schichtdienstgruppe bis zur Kinderdorffamilie
Ich bekam einen Platz in dem bereits laufenden Schuljahr und startete in einer Schichtdienstgruppe: dem Birkenhaus. Ich wurde, sowohl von den Kollegen als auch von den Kindern, sehr herzlich aufgenommen und fühlte mich von Anfang an pudelwohl. In den kommenden Wochen und Monaten bekam ich immer mehr Einblick in das Gruppengeschehen und den Alltag und war – bin es immer noch – sehr beeindruckt, wie liebevoll und voller Wertschätzung dort gearbeitet wird. Bei neun Kindern zwischen neun und sechzehn Jahren herrscht jede Menge Trubel und trotzdem bringt das Team auf sehr liebevolle Art und Weise Ordnung in das tägliche Chaos. Es herrscht eine tolle Stimmung, wie in einer richtigen Großfamilie.
Diesen Sommer steht für mich ein Wechsel in eine Kinderdorffamilie an. Darauf freue ich mich ganz besonders und kann es kaum erwarten, zu sehen, wie dort gelebt und gearbeitet wird.
Beruf mit Berufung: Das Gefühl, als Kinderdorfmutter richtig zu sein
Schon heute weiß ich, dass die Entscheidung, einen Neustart zu wagen, richtig war. Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit mit den Kindern, denn man bekommt so unglaublich viel zurück. Kinder sind eine Bereicherung und ich habe ganz und gar nicht das Gefühl, etwas aufzugeben, im Gegenteil, eher etwas dazuzugewinnen. Es fühlt sich an, als habe mich mein Weg über Umwege hierher geführt und ich bin froh und dankbar darüber. Mit der Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde, aber auch der Kinderdorfleitung und Verwaltung, hoffe ich, am Ende meiner Ausbildung sagen zu können, dass ich zu den glücklichen Menschen gehöre, die ihren Beruf zur Berufung gemacht haben.
Britta Lange, Kinderdorfmutter in Ausbildung