Kinder aus einer Kinderdorffamilie sitzen auf der Wiese

Vorurteil Kinderheim: So ist das Leben in den Kinderdörfern wirklich

Vorurteile „Kinderheim“: Wie ist es eigentlich, ein Kind aus einem Kinderdorf zu sein?

Diese Frage stellen sich die meisten vermutlich viel zu selten. In der heilpädagogischen Wohngruppe Haus 9, leben acht Kinder zwischen neun und 17 Jahren. Sie werden von Pädagogen im Schichtdienst betreut. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag.

In dem großen Wohnhaus gibt es für jedes Kind ein eigenes Zimmer, eine große Küche, ein Ess- und ein Wohnzimmer, ein Büro, in dem die Betreuer nachts schlafen, ein Spielzimmer und Vorratsräume. Besonders stolz sind die Kinder auf ihr großes Trampolin im Garten. „Hier kann ich mich wunderbar austoben“, erzählt Josef begeistert.

Wir sind kein Kinderheim, sondern ein Kinderdorf

Eine Gruppe eines Kinderheimes“ – diesen Ausdruck mögen die Kinder und Jugendlichen nicht. „Ich bin froh, dass ich nicht in einem Kinderheim wohnen muss“, sagte mir einmal ein Mädchen. Für Außenstehende ist die Tatsache, dass die Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen, oft ungewohnt und fremd. Viele Vorurteile sind mit dem Heimbegriff verbunden: lange Flure und große Schlafsäle. Dies gab es im Bethanien Kinderdorf nie.

Als Kinderdorfkind in der Schule

Wie ist es eigentlich in einem Kinderdorf zu wohnen? Das fragen sich auch die Schulfreunde der Kinder. Sie sind jedes Mal aufs Neue erstaunt, wenn sie sehen, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat und das Leben kaum anders ist als bei ihnen zu Hause. „Hier ist es aber schön, ich habe mir das ganz anders vorgestellt. Gar nicht so familiär“, habe ich auch oft von Eltern der Schulfreunde gehört, nachdem sie beim Elternabend noch skeptisch schauten, als ich den Namen des Kindes auf meinen Notizzettel schrieb, um bei acht Kindern und unterschiedlichen Klassen den Überblick zu behalten. Auch für die Lehrer ist es oft anstrengend, immer einen anderen Erwachsenen vor sich sitzen zu haben oder am Telefon zu erreichen. Das erfordert für die Mitarbeiter eine gute Teamkommunikation und einen regelmäßigen Austausch, der in Form von wöchentlichen Teamsitzungen stattfindet.

Mit der Kinderdorffamilie oder der Wohngruppe beim Arzt

Beim Arzt ist das nicht anders, prüfende Blicke der anderen Eltern im Wartezimmer, wenn man als Pädagogin mit vier gleichaltrigen Kindern auftaucht und natürlich die Frage der Arzthelferin: „Soll die Mami dir die Hand halten beim Impfen?“ Solche Fragen oder Blicke können uns Erwachsene schon manchmal erschrecken, wie muss das erst für unsere Kinder und Jugendlichen sein. „Bitte sag dem Arzt nicht, dass du nicht meine Mutter bist“, sagte einmal ein Mädchen zu mir. Der Wunsch „normal“ zu sein, einmal nicht erklären zu müssen, wieso man nicht bei seinen Eltern leben kann, ist nachvollziehbar.

Mit einer Kinderdorfgruppe oder Kinderdorffamilie beim Einkaufen

Oft werden die Kinder und Jugendlichen im Alltag mit ihrer besonderen Situation konfrontiert. Dies beginnt häufig schon beim wöchentlichen Großeinkauf: „Da hat die Mama aber viel einzukaufen“, oder „Seid ihr gerade aus dem Urlaub zurück, dass ihr so viel einkaufen müsst?“, sind nur zwei Beispiele für die Aussagen der Kassierer oder der Menschen hinter uns in der Schlange. Ein Einkauf für eine Kinderdorffamilie kann schon mal zwei Einkaufswagen füllen, das sorgt für Blicke und ungefragte und ungebetene Kommentare. Dabei reagieren die Kinder meistens gelassener als die Pädagogen „Wir sind diese Fragen schon gewöhnt“, sagt Marlon, „das fragen die jedes Mal“. „Einmal hat eine Verkäuferin meine Erzieherin für meine Schwester gehalten“, fügt Jaqueline hinzu.

Leben in den Bethanien Kinderdörfern

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