Musik ist mehr – Die Musikpädagogik im Kinderdorf
Jeder, der schon einmal selbst ein Musikinstrument in der Hand hatte, weiß, wie heilend die Musik sein kann. Sie ist Rückzugsort, sie ist Wutablasser, sie ist Trostpflaster oder Euphorie-Verstärker. Diesen Gedanken greift auch die Musikschule im Bethanien Kinder- und Jugenddorf in Schwalmtal und die Musikprojekte in den anderen Bethanien Kinderdörfern auf. Vor vielen Jahrzehnten erstmals von Schwester Helene im Kinderdorf begonnen, bildet die Musikschule unter Leitung von Wolfhelm Ostendarp heute einen festen Bestandteil des Pädagogischen Fachdienstes. Der Fachdienst hat die Aufgabe, unsere Kinder und Jugendlichen, die oft mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen haben, in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen durch therapeutische Elemente dabei zu helfen, Schmerz und Erinnerungen zu verarbeiten.
Der Pädagogische Fachdienst in der Jugendhilfe
Dabei ist die Kinderdorf-Musikschule nur bedingt mit anderen Musikschulen zu vergleichen: Denn Ostendarp und seine Kollegen arbeiten mit einem freien, stärkenden Konzept. „Das kannst du nicht, gibt es bei uns nicht“, erklärt der Musiklehrer. „Wir hören gut zu, gehen den Wünschen der Kinder und Jugendlichen nach und bestärken sie darin, dass das, was sie hier zeigen, gut ist.“ In der Praxis bedeutet das, dass bereits der Einstieg in die Musik spielerisch erfolgt: In der musikalischen Früherziehung erleben die sehr jungen Kinder Musik durch Vibrationen auf der Haut, sie tanzen, trommeln oder lauschen gemeinsam Musikstücken. Wer mit dem Musikunterricht im Kinderdorf beginnt, kann sich dann sein Instrument aussuchen: Ob Klavier, Gitarre, Schlagzeug, die eigene Stimme oder sogar Geige und Cello, dem Wunschinstrument sind fast keine Grenzen gesetzt. „Auch, wenn das Kind das Instrument nach einiger Zeit noch einmal wechseln möchte, machen wir das möglich“, sagt der Musiklehrer.
Im Unterricht wird gemeinsam gearbeitet: Ostendarp und sein Musiklehrerteam schlagen Stücke vor, genauso können Kinder und Jugendliche aber ihre Musikwünsche mitbringen. „Und wenn wir ein halbes Jahr nur ein Stück spielen, das aus einem einzigen Ton besteht, dann ist das auch in Ordnung“, schildert der Musiklehrer. „Hier geht es nicht um Leistung.“

Als Erlebnispädagoge in der Jugendhilfe arbeiten
Das bedeutet aber nicht, dass die Kinderdorf-Musikschule keine großartigen Talente hervorbringt: Beim jährlichen Talentschuppen vor den Sommerferien zeigen die jungen Musiker, was sie gelernt haben. Egal, ob mit Lampenfieber, Verspielern oder einwandfreier Darbietung – jeder wird gleich lautstark bejubelt. „Die Musik hilft, Stimmungen zu bewältigen aber gleichzeitig auch, Selbstvertrauen aufzubauen“, weiß Ostendarp. „Das ist für uns weitaus wichtiger als die Leistung.“
Innerhalb des Musikschulkonzeptes gibt es nicht nur Einzelunterricht, sondern auch unterschiedliche Bandprojekte, eine Schauspielgruppe, einen Kinderchor oder immer mal wieder temporäre Projekte. Die Vielfalt der sorgfältig gewählten Musiklehrer, die Ostendarp als Honorarkraft unterstützen, macht das möglich.
Wer die Musikschule einmal besucht, wer sich ein Musical der Schauspielgruppe anschaut, einen Auftritt der Kinderdorfband bejubelt oder die Sankt Martins-Lieder des Kinderchors auf dem jährlichen Martinsmarkt mitsingt, wird schnell gepackt von der Magie, die diese Musikschule umgibt: Denn Musik im Kinderdorf ist eben nicht nur eine Abfolge von Tönen, sie ist ein Selbstbewusstseins-Booster, ein Teambuilder, eine Komfortzone in einem Leben, das aufgrund der besonderen Lebenssituation unserer Kinder und Jugendlichen eben oft nicht einfach ist. Musik im Kinderdorf ist mehr.