Auf den Spuren der Kinderdörfer
Als Bethanien Kinderdörfer sind wir Heimat für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Als Arbeitgeber sind wir auch berufliche Heimat für mehr als 500 Mitarbeitende. Für manche sind wir auch mehr als das: Kinderdorfmütter, -eltern und unsere Ordensschwestern wohnen und leben im Kinderdorf, für sie ist das Kinderdorf auch ihre Heimat. Zuhause sein, Heimat – kollidiert das nicht mit einer in Wirklichkeit sich ständig im Wandel befindlicher Arbeit, mit institutionellen Regeln, mit einer Fluktuation von Menschen in einer pluralen, diversen und sich ständig verändernden Welt? Was hat Pilgern damit zu tun, in einem komplexen System dem wirklich Wichtigen und Verbindenden auf die Spur zu kommen und Gemeinschaft neu zu erleben.
Geschichte der Dominikanerinnen von Bethanien
In Bethanien pilgern wir zu den Pionieren der bethanischen Werte, die ihr Leben einer großen Sache geweiht haben. Die Gründung des Dominikanerordens im Frankreich des frühen 13. Jahrhunderts fiel in eine Zeit, als die Würdenträger der katholischen Kirche in Reichtum und Luxus als Feudalherren lebten. Dominikus wollte die Kirche erneuern und entschied sich für ein asketisches, armes Prediger- und Pilgerleben im Sinne der Urchristen. Es war kein bequemes Leben. Die überlieferten Gebetsformen gingen bis hin zu stundenlangen Selbstgeißelungen. Mit den langen Wanderungen und Predigten begründete Dominikus den Predigerorden der Dominikaner, die Armut geloben und sich an keinen Ort binden.
Gefängnisorden von Pater Jean Joseph Lataste
Pater Jean Joseph Lataste predigte 1864 und 1865 in einem Frauengefängnis in Frankreich und lernte dort das große Leid und die völlige Aussichtslosigkeit der Frauen kennen. Er hatte die Idee, straffällige Frauen – (Kinds-)Mörderinnen, Diebinnen, Obdachlose, Vagabundinnen, Prostituierte und damit von der Gesellschaft Geächtete – nach ihrer Gefängnisstrafe in einen katholischen Orden aufzunehmen und sie dort als gleichberechtigte Ordensmitglieder zu integrieren.
Das war nicht einfach eine fromme Idee, für die man betet. Nicht einfach eine Meinung, für die man gelegentlich demonstriert und dann ins eigene, bequeme Leben zurückkehrt. Es war in der damaligen Kirche eine Revolution, die den Dominikanerpater und seine Mitstreiterin Sr. Henrika Dominique Berthier ihr Ansehen, ihre berufliche Karriere und ihre Gesundheit gekostet haben.

Mit Mitarbeitern pilgern: Wir machen uns gemeinsam auf den Weg
Mit Mitarbeitenden pilgern bedeutet, sich auf den Weg machen, aufbrechen und Bekanntes hinter sich lassen. Auf dem Pilgerweg folgen und begegnen wir den Gründerinnen und Gründern des Ordens und der Kinderdörfer. Wir suchen die Nähe dieser Gründungsideale und fragen uns an den Orten des Wirkens der Gründer, was unsere Ideale und was unsere eigene Motivation für diese Arbeit ist. Wir stellen uns der Frage nach dem Sinn, warum wir heute in diesen sozialen Aufgaben tätig sind. Dazu gehören Impulse, Zeiten der Stille, Wanderungen und Raum für Gespräche.
Pilgern als Teambuilding über den Beruf hinaus
Das Kennenlernen der Kolleginnen und Kollegen findet auf einer ganz anderen Ebene statt, als die Begegnungen im dienstlichen Alltag. Personen werden wichtiger als Hierarchien. Gemeinschaft wird neu entdeckt. Die Auszeit vom Alltag erleben die meisten Pilgerinnen und Pilger als Bereicherung und kehren in ihre private und berufliche Heimat gestärkt zurück. Der eine oder die andere hat dann auch eine Flasche des guten Bordeaux Weines im Gepäck, den die Nachfahren des Ordensgründers heute noch herstellen.
Dr. Klaus Esser, Geschäftsführer