Zu klein, zu krumm, zu viel: Überall in Deutschland werden jeden Tag große Mengen an Lebensmitteln vernichtet, obwohl ihr Zustand einwandfrei ist.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Wochenendbereitschaft im Kinderdorf. Damals war ich als Erziehungsleiterin tätig und samstagsmittags klingelte mein Diensthandy – ein Abschleppdienst aus der Region meldete sich. Zunächst war ich ziemlich erschrocken, dachte ich – Mitarbeitenden oder Kindern/Jugendlichen sei etwas passiert.
NEIN, zum Glück war es ganz anders. Ein LKW hatte einen Unfall und hier waren viele Tomaten vom Wagen gefallen, die so nun nicht mehr eingesetzt und verkauft werden konnten. Der Abschleppdienst wollte wissen, ob das Kinderdorf damit etwas anfangen könnte und ja klar … mir kam direkt Marlene Altevers in den Sinn.
Eine unserer damaligen Kinderdorfmütter, bei der ich mir sehr sicher war, dass sie eine Idee dazu haben könnte.
Und genauso war es. Frau Altevers fuhr umgehend mit Maike Kauven, eine ihrer Mitarbeiterinnen mit zwei Bullis zur Unfallstelle und lud so viele Tomaten ein, wie es ging.
Ganz egal, ob matschig oder nicht.
Durch das Wegwerfen von Lebensmitteln werden wert volle Ressourcen wie Wasser, Energie und Boden und nicht zuletzt die Arbeit, welche die Menschen für Erzeugung, Verarbeitung und Transport aufgewendet haben, sinnlos verschwendet. Durch die kleine „Eingangsgeschichte“ wird schon deutlich, wie wir im Kinderdorf in Schwalmtal versuchen, Ressourcen zu schonen und auch Lebensmittel zu nutzen, die im ersten Moment nicht mehr so gut aussehen – aber an Geschmack nichts verloren haben.
Ich weiß, dass Frau Altevers und Frau Kauven damals alle Tomaten im gesamten Kinderdorf verteilt haben und es wurde Tomatensoße, Tomatensuppe, Tomatensalat, usw. in allen Gruppen und Familien gekocht und zubereitet, sodass wir lange von diesem Tomatenunfall zehren konnten.
Im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal erhalten wir seit langer Zeit Spenden von Aldi und Kamps. Aldi wird allen ein Begriff sein, Kamps ist eine große Bäckereikette, die in Waldniel im Gewerbegebiet ansässig ist.
Beide Warenhäuser bedenken das Kinderdorf nun seit mehr als 10 Jahren mit regelmäßigen Lebensmittelspenden.
Unzählige Nahrungs- und Genussmittel haben wir von dort erhalten und ja, das ist nachhaltig.
2x wöchentlich fahren unterschiedliche Teams bei Aldi und Kamps vorbei und dürfen all diese Leckereien und Köstlichkeiten für unser Kinderdorf abholen.
Das entlastet das Haushaltsgeld unserer Wohngruppe und Kinderdorffamilien dauerhaft. Unsere Kinder und Jugendlichen lernen, dass es sich lohnt, keine Lebensmittel zu verschwenden und die Lebensmittelhändler freuen sich,
dass sie die Ware nicht wegwerfen müssen.
Julia Bartkowski, Kinderdorfleiterin