Erinnerungen eines ehemaligen Mitarbeiters:

Pater Manuel erzählt...

So unterschiedlich ist Arbeiten im Kinderdorf

Mehr als 55 Jahre sind vergangen, seit ich im Februar 1966 zum ersten Mal den Park des Bethanien Kinderdorfes in Schwalmtal betrat. Ich war ein einundzwanzig Jahre junger Dominikaner in Ausbildung. Zu dieser gehörte die Ableistung eines Sozialpraktikums und ich wollte herausfinden, ob das Kinderdorf dafür ein geeigneter Ort wäre.

Mein erster Tag im Kinderdorf – Pater Manuel erinnert sich

Mein Puls schlug heftig, als „Mutter Maria“, die damalige Oberin, mir im grünen Zimmer des Haupthauses eine Kinderdorffamilie zuwies und mir einschärfte, mich auf diese zu konzentrieren. Ich landete im Ährenhaus bei Schwester Veronika. Kontakt fand ich schnell. Es war Karneval und der wurde nach allen Regeln der Kunst gefeiert! Keine Frage, hier würde ich mein Praktikum machen: Liebe auf den ersten Blick!

Es blieb nicht beim Praktikum und nicht beim Kontakt allein zu den Kindern des Ährenhauses. Ich organisierte Ferienfahrten, wurde später Lehrer an der Fachschule für Heimerziehung der Dominikanerinnen von Bethanien, dann Assistent von Sr. Hermanna, der damaligen Kinderdorfleiterin, und schließlich, nach Priesterweihe und Abschluss eines Pädagogikstudiums,
pädagogischer Leiter des Kinderdorfes: Erfüllung eines Traumes.

Erinnerungen eines ehemaligen Mitarbeiters

Mit großer Freude denke ich zurück an die Familiengottesdienste, die wir über mehr als ein Jahrzehnt Sonntag für Sonntag feierten, die Arbeit mit dem Vorbereitungskreis, das Werden von Schola und Instrumentalkreis, die Schallplatte „Singt mit uns die Hoffnung“, die ZDF-Messe, bei der anfangs die Mikrofone ausfielen, an den bis zur Kirchendecke aufsteigenden Heißluftballon in der Pfingstmesse zum Thema „Geist, der in die Freiheit trägt“ – damals war zwei Familien eine spektakuläre Flucht aus der DDR per Heißluftballon geglückt.

Zu den amüsanten Erinnerungen zählen meine Verhandlungen mit der Sennerei Genossenschaft Schröcken, als es um die Anmietung der von dieser nicht mehr benötigten Sennerei ging. Mit viel persönlichem Einsatz und unglaublich viel Spaß haben wir diese alte Sennerei zu einem über Jahre gut genutzten Ferienhaus umgebaut.

Es ist schön zu sehen, wie viele der damaligen Kinder und Mitarbeiter Freude am Skifahren und an diesem wunderschönen Ort gefunden haben. Anrührend ist und bleibt für mich, dass ich viele Kinder des Kinderdorfes taufen und später trauen durfte. So viele von deren Kindern habe ich inzwischen getauft und auch schon wieder getraut. Längst bin ich sakramental in der dritten Generation unterwegs. Nicht unerwähnt bleiben dürfen traurige und schwere Anlässe. Zu ihnen zählen die Abschiede von lieben
Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, teilweise jung und unter tragischen Bedingungen verstorbenen ehemaligen Kindern und Jugendlichen.

Ehemalige im Kinderdorf

Wenn ich in Waldniel in die Kinderdorfkapelle komme, blättere ich im dort ausliegenden Totenbuch und halte ein betendes Gedenken. Meine Verbindung zu vielen „Ehemaligen“, ob Kinder oder Mitarbeiter, ist nicht auf meine priesterlichen Dienste beschränkt. Zu manchen habe ich ein geradezu familiäres Verhältnis, zu anderen ein freundschaftliches,
zu wieder anderen ein herzliches, bei vielen ist es zumindest ein Geburtstagsgruß über Facebook.

Nach meiner „aktiven Zeit“ im Kinderdorf führte mich mein Weg über verschiedene Stationen durch die weite Welt. Auch während dieser Zeit war ich immer wieder einmal im Kinderdorf. Seit ich 2008 von Rom aus in unser Kloster nach Düsseldorf versetzt wurde, konnte ich meine Besuche und Dienste wieder intensivieren.

Bei meinen Gesprächen freue ich mich zu hören, dass manches von dem, was ich vor Jahren auf den Weg bringen durfte, weiterwirkt, und dass es viel Neues gibt, was Kinder und Jugendliche heute auf ihrem Weg ins Leben unterstützt und fördert.

Pater Manuel Merten OP, ehemaliger Mitarbeiter des Kinderdorfes

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